Ein Priester bricht das Tabu des Schweigens

Beeindruckender Vortrag von Pfarrer Bruno Ix bei Schotterblume



Im letzten Jahr schlug ich die Rhein-Zeitung auf und las einen Artikel mit der Überschrift:
„Bruno-Ix, ein Priester bricht das Tabu des Schweigens“.
Ich las diesen Artikel mit Tränen in den Augen und tiefster Betroffenheit und habe mich danach sofort hingesetzt, um Pfarrer Bruno Ix einen Brief zu schreiben, es folgte ein Telefongespräch, und so war unser Kontakt hergestellt.
Und als Bruno Ix mir dann von einer Lesung in seiner Heimatstadt erzählte, sind wir mit unserem gesamten Team dorthin gefahren und haben uns danach von Herzen gewünscht, das auch den Menschen hier in unserem Kreis anbieten zu können.
Bruno Ix war bereit dazu und gab spontan seine Zusage.
Am 8. November nun war es soweit und es war mir eine besondere Freude, ihn in Nassau begrüßen zu dürfen.
Im äußerst angenehm gestalteten Raum der AWO zog Bruno Ix schnell alle Zuhörer und Zuhörerinnen in seinen Bann. Traurig, ernst, wütend und humorvoll gab er in seinem Vortrag tiefen Einblick in seine Lebensgeschichte und seine auf viele Weise verletzte Seele und ließ dabei klar werden, dass Gewalt sehr verschiedene Gesichter haben kann.
Bruno Ix berichtete von einer lieblosen, vollkommen einsamen Kindheit, aus der er am liebsten heraus-sterben wollte.

Er erzählte von der massiven körperlichen und seelischen Gewalt durch die Mutter, von brutaler Prügel durch den jähzornigen Dorfpfarrer, sowie den Kaplan und auch über regelmäßige Misshandlungen durch die Lehrer, alles unter dem Deckmantel angeblicher Erziehungsmaßnahmen. Dazu kam die durch Kirche und Lehrer eingetrichterte Angst vor der angeblichen Rache eines unerbittlich strafenden Gottes.
Bruno Ix dachte auch immer noch erschüttert an die Beichtpraxis zurück, die ihn bereits als kleinen Jungen und auch später in der Pubertät dazu zwang, normale kindliche, bzw. jugendliche Sexualität in allen Einzelheiten im Beichtstuhl auszubreiten und all seine natürlichen Schamgrenzen einzureißen.
Zustimmendes Nicken mancher Gäste schienen diese Erfahrungen zu bestätigen.
Und dann berichtet Bruno Ix wohl von dem Schrecklichsten, was einem Kind angetan werden kann, von dem sexuellen Missbrauch und der Vergewaltigung durch einen Stallknecht!
Er beschrieb, wie er, der kleine 10-jährige Junge danach verzweifelt bei dem Beichtvater, dem angeblichen Seelsorger, Trost, Hilfe und Auflösung seiner Verwirrung suchte und satt dessen mit einem kirchliches Donnerwetter bestraft wurde.

Reingewaschen wollte er werden von dem Schmutz des Kinderschänders, noch dreckiger fühlte er sich nach dieser Beichte, berichtete Bruno Ix und so schloss er das Erlebte als vermeintlich schwerwiegende eigene Sünde über 30 Jahre lang tief in seine Seele ein.
Verständliche Tränen saßen nun bei einigen Gästen in den Augenwinkeln, auch bei mir.
Unzählige weitere Versuche bei der Kirche doch noch in irgendeiner Form Hilfe zu finden, scheiterten damals kläglich und schmerzhaft, schilderte Bruno Ix.
Er ließ die verheerenden seelischen und massiven körperlichen Langzeitfolgen seiner vielen Missbrauchs- Traumata und vor allem die manch grausamer Kirchenlehren klar werden , er erzählt von vielen Fragen, vielen Zweifeln an der Kirche und ihren strengen Regeln, und wie trotz allem, der Wunsch, selbst Priester zu werden, erwacht und wie dornig auch dieser Weg durch die Hochschule der Jesuiten und das Priesterseminar wieder war und wie viel neue Wunden gerissen wurden.
Bruno Ix schilderte, wie es ihm später in seiner Kirchengemeinde gelang, seine Vorstellungen von wirklicher Seelsorge, tatsächlich nach und nach weitgehend umzusetzen. Mit glänzenden Augen erzählt er, wie gerne die Kinder z.B. in seinem Religionsunterricht Dinge malen, die sie beschäftigen und die Pausenklingel dabei am liebsten überhören ...

Weiter berichtete Bruno, wie er die ersten Schritte in Richtung therapeutischer Aufarbeitung seiner schlimmen Erlebnisse gegangen ist, wie er die ersten Konfrontationen mit den lange verdrängten Gefühlen seiner Kindheit spürte. Eine Odyssee der Suche nach der „richtige“ fachlichen Hilfe, erste Klinikaufenthalte brachten keine Besserung und eine lange Suche nach dem, für ihn richtigen Weg begann. Er hat ihn gefunden!
Bruno Ix lebte dann auch sichtlich weiter auf bei den Schilderungen seiner neuesten positiven Therapieerfolge, besonders die der Gruppentherapie nach ressourcenorientiertem Verfahren, seine Worte hierzu ließen Mut und Stärke überfließen, machten Hoffnung.
„Goldplättchen sammeln“ nannte er seinen Vorsatz, sich an jedem Tag wenigstens 3 positive Erlebnisse oder Begegnungen bewusst zu machen ... eine schöne Idee, finde ich.
Bruno Ix berichtete weiter über seine Erfahrungen bei seinem offenen Bemühen nach sinnvoller Veränderung in der Kirche, die er immer und immer wieder anstrebt, nicht nur um seiner selbst willen, sondern gleichzeitig für viele andere Menschen, denen ähnliches widerfahren ist, wie ihm.
Der das tut, damit es nicht immer und immer wieder geschieht:
Seelische, aber auch körperliche und sexuelle Gewalt in und durch die Kirche!

Er, der „kleine Priester“ hatte es in seinem ersten Buch gewagt, heilige Türen aufzustoßen und uns allen von Verbrechen zu berichten, die dahinter geschehen sind und noch immer geschehen und wurde dadurch zum Störfaktor, der nach Veröffentlichung des Buches die ganze GEWALTige Macht der Kirche zu spüren bekam. Auch davon berichtete Bruno Ix den gebannt lauschenden Zuhörern.
Und weil er, auch wenn er hin und wieder fast am Boden lag, dennoch nicht schwieg, wurde versucht, ihn kopftätschelnd zum armen psychisch kranken verirrten Schäfchen zu machen, dem es gnädig zu verzeihen gilt.
In einem weiteren Buch, das Bruno Ix vorstellte, hat er die Reaktionen von Kirche und Umwelt auf sein erstes Buch niedergeschrieben, Reaktionen, die allen offensichtlich zu denken gaben.
Bruno Ix spricht also äußerst unbequeme Tatsachen offen aus, bricht dabei Tabus und wird das auch weiterhin tun, allerdings erwarte er mittlerweile nichts mehr, sagte er und damit gehe es ihm besser.

Die anschließende ausführliche Diskussionsrunde brachte weitere spannende, traurige und heiße Themen ins Gespräch.
Da ging es um Traumafolgen, Therapiemethoden und Heilung, aber auch ums Zölibat, Priesterfrauen und -Kinder, um die Wiederverheiratung und Schwangerenberatung, um Homosexuelle Priester, um pädokriminelle Priester und die neuen Leitlinien der Kirche und notwendige Beratungsstellen, um Scheinheiligkeit und Wölfe im Schafspelz ...
Dass die Gäste sich auch hier emotional tief einließen, war deutlich im Raum zu spüren.
Alle Anwesenden wären gerne noch länger geblieben, denn viel hätte es noch zu sagen gegeben, sehr viel, zu all diesen Themen, aber Bruno Ix hatte noch eine lange Heimfahrt.

„Oh, den hab ich noch nicht“, sagte er ...
und freute sich sichtbar über einen Gedichtband von Kruppka mit Texten über die Sprache der Seele, den ich ihm am Schluss als keines Dankeschön überreicht habe.
Und ich bin sicher, auch alle Anwesenden haben in ihrer Seele Wichtiges von diesem Abend für sich mitnehmen können.


Dagmar Minor
Schotterblume

(Siehe auch unter "Presse")







Buchbeschreibungen:



IX, BRUNO Ein Priester bricht das Tabu des Schweigens Die Liebe zur Kirche, die Stimme des Herzens und der Mut zur Veränderung Dies ist die Lebensgeschichte von Bruno Ix, der damit als katholischer Priester ein erschütterndes Zeugnis einer "unglücklichen Liebe" zu seiner Kirche dokumentiert. Bruno Ix will sein Zeugnis nicht als Anklage verstanden wissen, sondern als Appell, all das, was in der Kirche der Liebe Christi entgegen steht, in umfassender Gemeinsamkeit wegzuräumen.
Preis: € 11,70; Verlag: Publik-Forum; 160 Seiten; Bestell-Nr: 2626


IX, BRUNO Der Schrei des Herzens und die tauben Ohren Mein Leben als Priester, nachdem ich das Schweigen brach »Ein Priester bricht das Tabu des Schweigens. Die Liebe zur Kirche, die Stimme des Herzens und der Mut zur Veränderung« unter diesem Titel hatte Pfarrer Bruno Ix vor drei Jahren im Publik-Forum-Verlag seine Lebensgeschichte veröffentlicht. Das Publik-Forum-Buch erregte Aufsehen. »Das reicht« – so dachte Pfarrer Ix damals, »das ist mehr als genug.« Es hatte ihn sehr viel Überwindung gekostet, so viel von sich preiszugeben. Für ihn war es eine Gratwanderung. »Nie wieder« schreibe ich ein Buch, so dachte er. Jedoch mit einem »Nie wieder«, so sagte er jetzt, sollte man sehr vorsichtig sein. Geht es ihm doch darum, endlich aus der passiven Opferrolle herauszukommen. Deshalb nun dieses zweite Buch, geschrieben für sich selber, seine Leserinnern und Leser und für seine Kirche, die er trotz vieler schmerzlicher Erfahrungen immer noch liebt. Fragen über Fragen: Wie haben die höheren Etagen der Kirche auf sein erstes Buch reagiert? Gab es eine faire Auseinandersetzung, auch mit Bischöfen? Gibt es in seiner Kirche eine breite Diskussion zum Thema Opfer und Täter?
Preis: € 10,70; Verlag: Publik-Forum; 128 Seiten; Bestell-Nr: 2700