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... eine Minute vor 12 ....

( von Dagmar Minor )

 

Statistiken besagen, dass jedes 3. Kind im Laufe seiner Kindheit in irgendeiner Form Opfer von sexuellen Übergriffen wird. Haupttatort ist ausgerechnet dort, wo sich das Kind am sichersten fühlen sollte, nämlich in der eigenen Familie.

Das ist auch der logischste Grund, warum die allerwenigsten Kinder über das an ihnen begangene Verbrechen reden. Sie sind zum Schweigen verurteilt. Ihre stummen Signale entschlüsselt meist niemand außerhalb der Familie. Um aber einigermaßen weiterleben zu können, bleibt den Kindern nur der Schutzmechanismus des Abspaltens oder Verdrängens. Das Geschehen wird tief ins Unterbewußtsein verbannt, scheinbar vergessen und so mit ins Erwachsenenleben genommen.

Doch diese Verdrängung kann nicht ohne tiefgreifende und in der Regel verheerende Folgen bleiben, die das ganze Leben des erwachsengewordenen Opfers durchdringen, fast immer, ohne das es selbst sich der Zusammenhänge bewusst ist.

Nur einige der möglichen nachgewiesenen Folgen sind: Ess-Störungen, Angst- und Schlafstörungen, massive Persönlichkeitsstörungen und -spaltungen, Sexual-Störungen, Depressionen, Zwänge, Phobien, psychogene Amnesien, Migräne, Abhängigkeitserkrankungen, Asthma, Sprachstörungen, Störungen im Hygieneverhalten, Ohnmachtsanfälle, Epilepsie, dissoziative Verhaltensweisen, Autismus, Lähmungen, Autoaggression, Suizidalität, psychosomatische Blutungen, Prostitution, Sexualisieren, sexuell aggressives Verhalten, sadomasochistisches Verhalten, Promiskuität.

Der erwachsene Mensch aber, der sich nicht mit den verdrängten Schmerzen seiner Kindheit konfrontieren möchte, bekämpft in der Regel stattdessen jahrzehntelang die Folgeerscheinungen, hat fast immer bereits eine Odyssee von Arztbesuchen hinter sich, unzählige Medikamente eingenommen, die keinen wirklichen Erfolg bringen. Wenn die Wurzel eines Baumes krank ist, nützt es doch auch nichts, die verdorrten Blätter blank zu reiben.

Darum sind die Betroffenen, die in unsere Beratungsstelle kommen meist ganz am Ende angelangt, haben alles versucht, nicht an die eigentliche Wunde zu rühren und oft ist sie dann von ganz allein "aufgeplatzt". Das ist ein akuter Schock und braucht ganz schnelle Verarztung.

Hier besteht oft Selbstmordgefährdung, denn jetzt ist es mittlerweile „eine Minute vor 12“ !

Dann wissen die Ärzte meist nur noch eins - die Psychiatrie, denn das geht schnell. Dort gehören diese Menschen aber nicht hin, keinesfalls! Sie brauchen eine spezielle Fachklinik, eine Traumaklinik, die sich mit genau dieser Problematik der posttraumatischen Belastungsstörungen auskennt - und sie brauchen sie sofort!

Der lange bürokratische Weg der Kostenträger, von mindestens 3 Monaten bis zu über einem Jahr!!! Ist hier unverantwortlich. Eine kranke Seele ist nicht mit einem kranken Bein vergleichbar.

Wenn die Erinnerungen des Kindheitstraumas aus dem Bewusstsein nach oben steigen, ist sofortige Hilfe und Betreuung notwendig. Nicht umsonst werden die Folgen des Kindesmissbrauchs mit denen des Holocaust verglichen. In den langen Wartezeiten bis zur Kostenbewilligung versuchen wir in unserer Beratungsstelle nicht selten, in stundenlangen, oft nächtlichen Gesprächen den Betroffenen ihren Lebenswillen zu erhalten. Nicht immer war das möglich!

Es wäre zu überdenken, auch hier Notfall - Aufnahmen zu bewilligen, schnelle unbürokratische Hilfe, aber nicht in Ausweich-Ruhigstell-Kliniken, sondern direkt in der „richtigen“, in denen sich die Opfer kompetent behandelt und vor allem verstanden fühlen.

 

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