Frage:Hallo ... je älter ich werde, um so schlimmer wird meine Schlaflosigkeit, meine Träume, aber vor allem mein Suchtverhalten. Seit 30 Jahren nehme ich alles, um mich zu betäuben, um zu vergessen, um nicht nachdenken zu müssen. Meine Kindheit war ein einziger Alptraum, mit unzähligen Schlägen, mit unsäglicher Gewalt, Alkoholexzessen meiner Eltern und diverser 'Onkels'. Meine vier Schwestern (und vier Brüder) sind wie ich völlig bindungs- und beziehungsunfähig. Ich habe nur vage Erinnerungen an die Dinge, die mein Vater mit uns tat, wie er mich auch schon früh seinen Freunden anbot, als Ware, die sich noch nicht richtig entwickelt hat, aber bald reif wäre.... Ich kann nicht schlafen, gehe jedoch vormittags arbeiten, ich trinke mich abends besinnungslos, erbreche alles und bin ein paar Stunden besinnungslos, bis zum nächsten Tag. Drogenexzesse habe ich alle hinter mit, Tabletten, Fressucht, mich selbst verletzen, was ist mit mir los? Warum kann ich nichts gegen meinen langsamen Tod tun? Ich töte mich jeden Tag ein kleines Stück, weiss nicht, woher mein Körper diese Kraft hat, dies alles aufzunehmen. Unzählige Therapien - keine davon abgeschlossen - habe ich hinter mich gebracht. Nun möchte ich es mit einer Langzeittheraphie versuchen, weg auf meinem gewohnten Umfeld, nur für mich selbst sein, mich endlich öffnen.Es muss doch möglich sein, die Wunden meiner Kindheit behandeln und heilen zu lassen? Ich leide und bin so unsäglich einsam, kann keine Nähe zulassen, mit niemandem mein Zimmer teilen, in mir drin ist es leer und grausam. Und doch schreie ich um Hilfe, möchte leben, ein wenig Normalität spüren, Nähe zulassen, Liebe geben und nehmen können, es muss doch möglich sein, diesen Schmerz zu minimieren. Bitte helft mir .... Ingrid Meine Antwort:Liebe Ingrid,vielen Dank für Deine vertrauensvolle Mail. Ja, es wird immer schlimmer, je länger die schrecklichen Erinnerungen, von denen Du berichtest unverarbeitet ganz unten in Deiner Seele darauf warten, dass Du Dich behutsam "um sie kümmerst". Es ist wie eine alte , vereiterte Wunde - sie heilt nicht einfach mit der Zeit, sondern muß erst gesäubert werden. 30 Jahre lang hast Du aber statt dessen alles mögliche in diese Wunde geschüttet, um sie zu betäuben. Das hat auch sicherlich eine ganze Weile "funktioniert", wie Du selbst berichtest. Du "kotzt das aber alles wieder aus", wie Du weiter erzählst und Dir ist sicherlich auch klar, weshalb ... Ein langsamer Tod ? ........ Ja stimmt. Du fragst, was Du dagegen tun kannst. Wenn Du mir schreibst, Du hast bereits mehrere Therapieversuche gemacht, möchtest jetzt noch einmal einen neuen Anlauf nehmen,ganz weg aus Deinem Umfeld und Deinem täglichen Überlebenskampf, dann sehe ich, Du hast Dich für's Überleben entschieden und damit die Antwort schon selbst herausgefunden. Das Gegenteil vom tot ist leben - eine andere klare Antwort habe ich nicht.. Ein "bißchen Leben" oder ein "bißchen Sterben" geht natürlich auch, aber das genau ist es ja, was Du nun nicht mehr willst. Die ganz genau für Dich persönlich richtige therapeutische Begleitung und Unterstützung zu finden, ist wahrhaftig keine einfache und schnelle Sache, sondern durchaus oft wie die Suche einer Stecknadel im Heuhaufen.Das liegt nicht an Dir. Die abgebrochenen Versuche zeigen mir, dass Du durchaus spürst, wann etwas Für Dich nicht passend ist. Gib nicht auf, weiterzusuchen, solange, bis Deine innere Stimme sagt: "Ja, das ist es!" Glaub mir, Heilung ist möglich! Hast Du schon eine geeignete Klinik gefunden, oder soll ich Dir dabei behilflich sein? Auch eine Nachbetreuung (bieten viele Kliniken an) oder anschließende Gruppe, die Dir ein wenig Geborgenheit und Sicherheit beim Wieder-Einstieg in den Alltag geben könnte, wäre sicher eine Überlegung wert. Herzliche Grüße Dagmar Minor von Schotterblume |
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