Die Mutter-Rolle verunsichert jede Frau, die als Kind missbraucht wurde zutiefst. Sie würde ihren Kindern so gerne etwas geben, von dem sie selbst nicht weiß, wie es sich anfühlt: Bedingungslose Liebe, Vertrauen, Geborgenheit, Zärtlichkeit, Wärme. Sie möchte notwendige Grenzen setzen und kennt ihre eigenen nicht, weil sie niedergetrampelt, eingerissen, kaputtgehauen wurden. Sie möchte gesunden Körperkontakt geben und hat doch ständig Angst, etwas falsch zu machen oder an ihre eigene Geschichte, das missbrauchte Kind, das sie einst war, erinnert zu werden. Sie hat Angst davor, ihre Kinder nicht beschützen zu können, oder ihren Kindern anzutun, was ihr angetan wurde, hat Angst davor, zu werden, wie die eigene Mutter war, sie hat Angst ..... Unzählige erwachsen gewordene Opfer haben mir die traurige, die grausame Geschichte ihrer Kindheit erzählt und mir wurde sehr schnell klar, dass es weitaus mehr so genannte „Folgeescheinungen“ des Missbrauchs gibt, als in den Büchern stehen. Wie Schlingpflanzen wuchern sie in alle Lebensbereiche. Eine dieser Folgeescheinungen ist die beinahe unbeschreibliche und absolut verständliche Panik manch betroffener Frau selbst Mutter zu werden, ein Kind zu bekommen, einem verletzlichen, zerbrechlichen, vertrauensvollen Wesen das Leben zu schenken – und aus dieser Panik heraus, die Mutterschaft grundsätzlich abzulehnen, oder aber ihr Kind in ein Glashaus zu setzen, überzubehüten, es zu erdrücken aber vielleicht auch, es zu vernachlässigen, zu misshandeln oder es gar zu töten. Die Umwelt aber sieht nicht die uralte Pein, die Qual, die in einer solchen Frau wütet, sieht nicht, dass sie mit ihrem geborenen oder auch ungeborenen Kind tut, was sie eigentlich mit der Erinnerung an ihr inneres Kind, dass immer noch in ihr nach Hilfe schreit, tun möchte. Erschütternde Berichte habe ich gehört von Frauen, die so gerne ein Kind geliebt hätten, ihr Kind, und nicht wussten, wie das geht, woher auch? Frauen, die ihr Kind abgelehnt, verloren, weggegeben oder ihm das Leben verweigert oder genommen haben, die an Schuld und Scham beinahe zugrunde gegangen wären und von denen wenigstens einige dennoch langsam lernten, sich zu verzeihen. Dagmar von Schotterblume |
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