Missbrauch mit dem MissbrauchImmer wieder finden sich auch in der Presse Hinweise auf Menschen, die im Namen und unter dem Deckmantel der angeblichen Bekämpfung von Kindesmissbrauch Aktivitäten an den Tag legen, die oftmals, gelinde ausgedrückt, als nicht nachvollziehbar und für die eigentliche Problematik selbst nicht hilfreich erscheinen. Das anrührende Thema wird schlichtweg für verschleierte Eigeninteressen benutzt. Deshalb oft zurecht als "Missbrauch mit dem Missbrauch" bezeichnet. Eine mögliche EnstehungUm genauer zu verstehen was darunter verstanden wird ist es wichtig zu beleuchten, was beim Missbrauch oder überhaupt bei Gewalterfahrungen, vor allem in der Kindheit, eigentlich passiert. Ein Kind kommt durch den Missbrauch bzw. durch die Gewalterfahrung in eine Ohnmachtssituation. Das bedeutet, die üblichen, genetisch vorgegebenen Bewältigungsstrategieen Kampf oder Flucht helfen nicht, es bleibt einem Kind meist nur der Todstellreflex, bzw, die Erstarrung und Abspaltung. Die Erinnerung an diese traumatische, nicht zu verkraftende Situation bleibt jedoch ein Leben lang in Körper und Gehirn gespeichert und kann jederzeit, auch nach Jahrzehnten, durch eine auslösende Situation (auch "Trigger" genannt) wieder aus dem vermeintliche Vergessen, also aus dem Unterbewusstsein, emporschnellen und dann fast so präsent erscheinen, als ob die Missbrauchssituation in diesem Moment noch andauern würde. Jedenfalls so lange wie sie nicht therapeutisch aufgearbeitet und damit "entschärft" wird. Die Auslöser solcher Erinnerungen können ganz normale Dinge sein, die auch nur eine annähernde Ähnlichkeit mit der ehemals traumatischen Situation haben wie z.B. eine Stimme, die der Stimme des Täters ähnelt, ein Musikstück, das im Hintergrund während der Missbrauchssituation im Radio zu hören war, die Farbe der Tapete in dem Zimmer, in dem es geschah usw. Wird die alte, traumatische Situation angetriggert, also unfreiwillig wieder ins Bewusstsein hervorgeholt, kann es passieren, dass sich der Betroffene seinem Empfinden nach in einer Situation wiederfindet, die ihm im Extremfall lebensbedrohlich erscheinen kann. Der Außenstehende sieht jedoch beispielsweise nur, dass ein Mann den Betroffenen in ganz normalem Ton nach der Uhrzeit fragt. Dass er eine Stimme hat, die dem früheren Täter sehr ähnlich ist, weiss er ja nicht. Dem Betroffenen jedoch können u.U. extreme Maßnahmen als gerechtfertigt erscheinen, die der Abwehr einer lebensbedrohlichen Situation, in der er sich subjektiv gesehen befindet, angemessen erscheinen. Für den Außenstehenden könnte solch eine extreme Situation sich so darstellen: Ein Mann fragt einen anderen nach der Uhrzeit und wird als Antwort von diesem niedergeschlagen. Absurd? Ja, aber haben wir nicht alle schon Berichte über ähnliche Situationen, also solche „Taten aus heiterem Himmel“ in der Zeitung gelesen? Und haben wir nicht alle schon darüber den Kopf geschüttelt, weil wir uns nicht erklären konnten, was da abgelaufen ist? BewältigungsstrategienWird eine traumatisierende Gewaltsituation durch einen Trigger wieder hervorgeholt, greifen erst einmal die instinktiven, genetisch verankerten Bewältigungsstrategieen Kampf oder Flucht und im allerschlimmsten Fall der Todstellreflex. Untersuchungen zufolge wird ein Trigger in ca. 0,04 Sekunden ausgelöst. Das ist schneller als das bewusste Denken eine Situation erfassen kann, denn es ist eine instinktive Reaktion. Kennen wir das nicht alle, dass machen Menschen in bestimmten, uns selbst harmlos erscheinenden Situationen die Flucht ergreifen oder aggressiv werden oder wenn das beides nicht geht, erstarren (Todstellreflex)? Wobei die Erstarrung selbst wieder eine Ohnmachtssituation darstellt und daher in der Regel retraumatisierend ist. Die Flucht als positive Bewältigungsstrategie scheint den meisten leider keine wohluende Lösung, wird zu sehr mit Feigheit verbunden. Lediglich der Kampf vermittelt dem Betroffenen oftmals das Gefühl, wirklich etwas gegen die ehemals erlittene Ohnmacht tun zu können. Alte Defizite nachzunähren im Hier und Jetzt, das ist möglich. Aber ist es auch möglich, jahrzehntealte Kämpfe gegen Ungerechtigkeit, Lieblosigkeit, Missbrauch und Ohnmacht in der Vergangenheit nachträglich im Hier und Jetzt auszutragen und dabei auch noch zu siegen? Vor allem ist es ja höchst selten ein Kampf gegen die wirklichen Täter der Kindheit, sondern eine Art „Stellvertreterkampf“, bei dem die alten Themen übertragen werden auf - für den Betroffenen - täterähnliche Personen, Rollen,Strukturen, Institutionen. Kann aber ein vor Jahrzehnten verlorener Kampf durch einen Stellvertreterkampf hier in der Gegenwart nachträglich ungeschehen gemacht bzw. gewonnen werden? Viele Menschen scheinen das zu glauben und handeln auch danach. AuswirkungenNaheliegend erscheint hier oft, diesen Kampf genau auf dem Gebiet zu führen, auf dem er seinen Ursprung hat: Gewalt gegen und Missbrauch an Kindern und sich einer der vielen Gruppierungen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, gegen Missbrauch zu kämpfen, anzuschließen. Aber weshalb gibt es gerade bei solchen Gruppierungen, Internetseiten usw. so wenig Beständigkeit? Weshalb verschwinden viele so schnell wieder? Weshalb bekämpfen sich einzelne Betroffene vollkommen empathielos wie mit Messern und Giftpfeilen? Weshalb bekämpfen sich manche Gruppierungen gegenseitig bis hin zur Zerstörung und machen dabei selbst vor Verleumdungen nicht halt? Nun, der eigentliche Kampf um den es so manchen dabei geht, ist ja der eigene, persönliche Kampf gegen die Ohnmacht der eigenen Kindheit. Stellvertreterkämpfe in der Gegenwart können gewonnen oder verloren werden. Aber sie können den alten, vor Jahrzehnten verlorenen Kampf nicht ungeschehen machen. Dieser Kampf dagegen kann immer nur verloren werden und verstärkt langfristig nur noch die Ohnmachtssituation. Er führt regelmäßig zu einer Retraumatisierung. Eine Gruppierung zu gründen, eine Intenetseite gegen Missbrauch aufzubauen, lediglich um vor den Karren gespannte Mitstreiter mit ähnlichen Motivationen zu haben, die den alten traurigen Kindheitskampf dann endlich erfolgreich mit ausfechten sollen, kann daher auch keinen Erfolg bringen, allenfalls einen kurzen, vollkommen sinnlosen Rausch. Diese scheinbare Macht ist eine kurze Droge. Diese ganze Inszenierung bringt auch die Mitstreiter in dieselbe, ausweglose Situation. Sie triggert deren eigene traumatische Kindheitserlebnisse an und retraumatisiert auch sie. Sie animiert diese Menschen, einen Kampf zu führen, der nicht selten all ihre Energien aufbraucht, ihre Gesundheit angreift und eigentlich dem Kampf Don Quijottes gegen Windmühlenflügel gleicht. Mitstreiter werden hier also missbraucht, indem deren meist vorhandene eigene Traumatisierung aktiviert wird, um egoistisch gemeinsam einen schon lange verlorenen Kampf auszufechten. Als Gegner werden unschuldige Übertragungsobjekte gewählt, die kaum eine Chance haben, ihre unfreiwillige Ersatztäter- Rolle abzulehnen. Unter Übertragung versteht man das Hineinlesen von Erwartungen, insbesondere Rollenerwartungen, von eigenen Wünschen, Befürchtungen und/oder Vorstellungen in das Verhalten oder die Eigenschaften einer bestimmten Institution, Struktur, Rolle oder Person, die ursprünglich einer anderen Person/Institution (z.B. Eltern, Familie) gegolten haben. Die Inhalte sind in der Regel rein wunschhaft und bleiben (im Sinn unerfüllter positiver Erwartungshaltungen) meist unbefriedigt, zumal der aktuelle unfreiwillige Stellvertreter das auf die Vergangenheit gerichtete Wunscherfüllungspotenzial in der Regel nicht zur Verfügung stellen kann oder will. Dann allerdings müssen die nicht selten mit massiver, oft gnadenloser Rache rechnen. So etwas nennt man dann den MISSBRAUCH MIT DEM MISSBRAUCH. Dieser betrifft jedoch nicht nur Gruppierungen. Auch Therapeuten und andere Personen können in diese Schiene kommen, wenn sie ihre eigenen, traumatisierenden Erlebnisse nicht hinreichend aufgearbeitet haben. Sie können selbst übertragen oder aber Übertragungs- Opfer werden. Manchmal kann ein Hinweis auf eine derartige Motivation einer Gruppierung sein, dass das Wort "gegen" im Namen geführt wird. Damit soll nicht gesagt werden, dass grundsätzlich alle oder die meisten Mitarbeiter oder auch Mitglieder von Vereinen mit Gewalt- und Missbrauchsthematik dort wegen besagter Motivation vertreten sind. Wenn es nicht um Stellvertreterkämpfe, sondern um konstruktive Arbeit für das Thema geht ist diese Arbeit eine der sinnvollsten, die es geben kann. Manche Organisationen führen Sammelaktionen durch, meist auf Straßen und an Türen, mit dem Thema Kindesmissbrauch, mit schlimmen Geschichten und traurigen Kinderaugen und rühren ganz gezielt die Herzen, damit die Menschen ihre Geldbörsen öffnen. Wenn ein Blick hinter die Kulissen offenbart, dass es diesen Leuten nicht um das Schicksal missbrauchter Kinder geht, sondern nur um Geld und der größte Teil davon in die eigenen Taschen fliesst, dann ist auch das MISSBRAUCH MIT DEM MISSBRAUCH. MISSBRAUCH MIT DEM MISSBRAUCH betreiben letztendlich auch direkte Täter, die Vereine gegen Missbrauch als Tarnung benutzen, denn dort wird man sie am wenigsten vermuten. AlternativenUm die eigene, früher erlittene Ohnmachtssituation, die eigene Traumatisierung überwinden zu können ist es wichtig, die Polarisierung, die mit jeder Kampfsituation einhergeht, zu überwinden. Viele Menschen begeben sich gar nicht erst auf diese Schiene und brauchen daher an dieser Stelle auch nichts überwinden. Manche Menschen leben jedoch tagtäglich in einer Situation, die alles erlebte in Gut und Böse, Macht und Ohnmacht, Schwarz und Weiß einteilt. Genau das ist die Art von Polarisierung, die durch die noch immer nachwirkende kindliche Ohnmachtssituation ausgelöst wurde. Aber gerade diese Polarisierung verhindert, dass Chancen und Möglichkeiten überhaupt wahrgenommen werden, die abseits dieser polarisierenden Sichtweise existieren. Man könnte auch sagen, ein Mensch, der sich für eine Seite entschieden hat, steht immer auf der falschen Seite. Nein, nicht deswegen, weil er die Seite A oder B gewählt hat. Sondern weil er auf der SEITE, steht, nicht mittendrin. Bei der Aufarbeitung von Traumata haben sich deswegen Vorgehensweisen bewährt, die ressourcenorientiert arbeiten. Das bedeutet, der Blick wird nicht auf irgend etwas gerichtet, das NICHT geht oder fehlt, sondern auf alles andere, auf alle Türen, die einem Menschen offen stehen. Und das sind viele. Sehr viel mehr als ein Mensch in einer polarisierten Wahrnehmung überhaupt bemerken würde. Angesichts dieser vielen Handlungsmöglichkeiten, die jeder Mensch, egal ob traumatisiert oder nicht hat, verschwindet das Gefühl von Ohnmacht ganz automatisch. Ein Mensch, der so viele Handlungsmöglichkeiten für sich selber entdeckt hat, braucht auch nicht mehr nach Macht als Kompensation für Ohnmacht zu suchen, die sowieso nicht funktioniert. Er hat viele Wege, die alle zu Zielen führen, die ein erfülltes Leben ermöglichen. Genau aus diesem Grund haben wir uns schon vor langer Zeit entschieden, nicht GEGEN irgendwelche Dinge zu kämpfen und unsere Kräfte damit sinnlos zu vergeuden. Wir haben bereits in unserem Vereinsnamen dokumentiert, dass wir uns stattdessen FÜR Menschen einsetzen. Das bedeutet nicht, dass wir nicht für einen besseren Schutz durch verbesserte gesetzliche Regelungen eintreten, was jeder in unseren Petitionen jederzeit nachlesen kann. Einen Mangel, nämlich den an Mitgefühl auf Seiten der Gewalttäter und Missbraucher, kann niemand bekämpfen, denn es wäre ein Kampf gegen das Nichts. Der einzige Weg, diesen Mangel zu beheben ist der, FÜR mehr Mitgefühl und Respekt einzutreten. Für diesen Weg haben wir uns entschieden. E. Blos Schotterblume e.V. |
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