Sorry, ohne Javascript steht nicht der volle Funktionsumfang zur Verfügung!

Gedichte aus „Tote Puppe“

  

Tote Puppe Du wolltest einfach so geh´n
Ihr einziger Freund Erinnerungslücke
Gummibärchen Marizzebillchen
Tödliche Nächte Was soll es auch sagen

Tote Puppe

Eine Puppe,

ohne Augen, ohne Hirn,

mit verdrehten Gliedern,

achtlos weggeworfen

auf den Müll,

zugeschaufelt mit Dreck.

Nur eine Hand schaut noch raus,

eine kleine, kalte Puppenhand,

so, als wolle sie sagen:

„Zieh mich heraus -

Hilf mir in meiner Not!“

Doch zu spät -

die Puppe ist tot ...

zum Seitenanfang

Du wolltest einfach so geh`n

Kleines Mädchen

hüpft vom Kindergarten heim,

kommt nicht zur Küchentür herein,

stämmt sich dagegen ganz fest,

sieht etwas,

was sich nie mehr vergessen lässt.

Mutter am Boden und überall Blut.

Sie röchelt:

„Hol` Hilfe, es wird alles gut.“

Ja, Mutters Pulsadern heilten,

die Kinderseele nicht,

denn die Kleine wusste genau:

Mutter wollte sterben,

wollte einfach so,

für immer geh`n,

wollte sie zurücklassen,

ganz allein.

Das konnte das Mädchen

der Mutter niemals verzeih`n

zum Seitenanfang

Ihr einziger Freund

So oft

kroch die Kleine durch den Zaun

hinter der abgelegenen Ruine

und war in ihrem Paradies.

Mittendrin stand er,

war immer da,

wenn sie ihn brauchte,

ihr Freund - der Baum.

Schluchzend ist sie zu ihm gelaufen

und hat ihn umarmt,

hat ihre Kinderwange

an seine Rinde gepresst

und ihm erzählt,

was sich keinem Menschen

erzählen lässt.

Sie spürte genau,

dass er sie hört, sie versteht

und das es ihr hinterher immer

ein klein wenig besser geht.

Dann schaute sie nach oben

in sein blätterumranktes Gesicht

und seine Stimme säuselte beruhigend:

„Weine, mein Kind,

schäm Dich Deiner Tränen nicht“.

Doch diesmal

drückt die Kleine ihren Freund

ganz sonderbar fest

und verabschiedet sich dann,

sagt ihm,

dass selbst er

ihr jetzt nicht mehr helfen kann.

zum Seitenanfang

Erinnerungslücke

Seele

wurde herausgeschleudert

hat sich zitternd

in den äußersten Winkel

unter der Zimmerdecke verkrochen

um von dort oben mit anzuschau`n,

was Vater mit dem Kinderkörper

tief unten tat.

Seele

hatte das Gedächtnis vorsichtshalber

gleich mitgenommen,

damit das Kind sich danach

nicht erinnern kann,

dass es ihn überhaupt kannte,

sehr gut kannte,

den, der ihm das angetan.

zum Seitenanfang

Gummibärchen

Vater,

Hast Deine eigenen Bedürfnisse

in buntes Kindergeschenkpapier gepackt,

sie mit einer Schleife verziert,

auf der „Ich liebe Dich“ steht

und eine Tüte Gummibärchen

obendrauf gelegt.

Alle rundum waren gerührt

und können den Undank

der heute erwachsenen Tochter

gar nicht versteh`n,

aber sie haben ja damals

nur die Verpackung,

nicht den Inhalt geseh`n !

zum Seitenanfang

Marizzebillchen

Auf hohem Turm,

da steht ein Kind

und das will nicht mehr leben.

Es überlegt ganz kühl,

wie es am besten springt,

damit`s auch sicher klappt

und endlich die Erlösung bringt.

„Nach hinten lasse ich mich fallen,

dann bricht mir das Genick“

Sekunden dauert`s nur -

in den Himmel geht sein Blick,

zu Jesus, der es nie gehört,

wenn es um Hilfe rief.

Jetzt liegt es unten, metertief.

Niemand wird je erfahren

von der Kindernot

und ganz besonders Vater wird

am weißen Sarg dann weinen,

denn sein „Marizebillchen“,

- das ist tot -

zum Seitenanfang

Tödliche Nächte

Nachts,

hinter geschlossenen Augen,

rannte ein Kind

voll Todesangst

hoffnungsvoll auf Türen zu,

die sich nie öffnen ließen

und erstickte davor

in irgendeinem klebrigen,

stinkenden Schleim -

Wurde in reißendem Wasser

durch Strudel in die Tiefe gezogen

und konnte einfach nicht schrei'n.

Oder es fuhr einsam

in einer brennenden Eisenbahn

durch eine total zerstörte

gespenstische Landschaft,

zitterte und fürchtete sich sehr,

aber kein einziger Mensch

auf der Welt lebte mehr.

Nur wilde Tiere gab es noch,

Die rissen ihm den Kopf vom Leib-

Löwen und riesige brüllende Bären.

Und das Kind stand da,

konnte sich nicht wehren.

Ekelhafte Schlangen

krochen aus dem Kindermund

und direkt neben seinem Ohr

schnaufte ein irrsinnig grinsender Hund.

Schwarze Monster ohne Gesicht

stießen ihm stahlharte Dolche

zwischen die Beine,

flüsterten dabei:

„Meine Liebste, meine Schönste,

meine süße Kleine“

zum Seitenanfang

Was soll es auch sagen ?

In der Nacht

wieder mal ein Riesenkrach.

Jetzt ist es still.

Vater ging pfeifend aus dem Haus

Und das Kind wagt sich aus seiner Ecke raus.

Mutter steht da

mit geschwollenem Gesicht,

verkrustetem Haar,

um die Stirn einen Verband

und zittert.

Sie nimmt das Kind an der Hand

Und aus aufgeplatzten Lippen ein Flüstern,

während sie auf

die blutbespritzte Tapete zeigt:

„Er hat mich wieder geprügelt.“

Das Kind starrt auf die Wand

und es schweigt.

 

 

„TOTE PUPPE“ Gedichte mit Referat auch als Ton-Kassette erhältlich (siehe unter Bestellungen)

 

zum Seitenanfang

 © Schotterblume e.V.